Im zweiten Teil der Blog-Serie über den Weg der skandinavischen Länder in die Musikstreaming-Ökonomie werden die technologischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für den Streaming-Boom wie auch regionale Geschäftsmodell-Innovationen genauer unter die Lupe genommen.

Skandinavien gehört zweifelsohne zu jenen Weltgegenden, in denen der Breitband-Internetausbau schon früh begonnen und sich rasant entwickelt hat. Von 2000, als nur wenige Haushalte in Skandinavien über Breitband-Internet verfügten, stieg die Marktdurchdringung 2006 in Dänemark und Norwegen auf ca. 70 Prozent sowie in Finnland und Schweden sogar auf über 80 Prozent an. Gegenwärtig gibt es in den skandinavischen Ländern so gut wie keinen Haushalt mehr, der nicht über schnelles Internet verfügen (Abbildung 1).

 

Abbildung 1: Die Umsätze der phonografischen Industrie sowie der Breitband-Internetausbau in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden, 1996-2017

Quelle: Wlömert und Papies (2019: 56).

 

Der Weg zur Musikstreaming-Ökonomie

Teil 2: Technologische Voraussetzungen und Geschäftsmodell-Innovationen

Abbildung 1 weist auch auf den Zusammenhang zwischen Breitband-Internetausbau und den sinkenden phonografischen Umsätzen in den skandinavischen Ländern hin. Obwohl Wlömert und Papies (2019: 31) einschränken, dass ihr statistisches Model es nicht erlaubt „[to] pin down the causal effect in this association“, ist es für sie plausibel, dass die Verfügbarkeit von Breitband-Internet P2P-Filesharing befördert haben muss. Allerdings, so schränken die Autoren ein, hat sich durch das Internet auch der Zugang zu anderen Entertainment-Angeboten wie TV-Sportübertragungen, Filme, TV-Shows und Games erleichtert und somit Konkurrenzangebote zum Musikkonsum attraktiver gemacht.

Breitband-Internet ist aber auch die Vorausaussetzung für Geschäftsmodell-Innovationen wie das Musikstreaming (ibid.: 33). Das statische Modell von Wlömert und Papies (2019: 34) zeigt, das „music streaming services are associated with a reduction in piracy“, wobei dieser Zusammenhang nur in Ländern mit hohem Haushaltseinkommen, wie Skandinavien, statistisch signifikant ist.

Die Erkenntnisse der Studie helfen uns die Ursachen zu verstehen, die den Streaming-Boom in den skandinavischen Ländern ausgelöst haben. Die rasche und flächendeckende Verbreitung von schnellem Internet in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden hat den Musik-Download von P2P-Filesharing-Netzwerken sowie den leichten Zugang zu anderen Entertainment-Angeboten ermöglicht. Gleichzeitig waren damit aber auch die technologischen Voraussetzungen für innovative Geschäftsmodelle geschaffen, die nicht zufällig in Skandinavien ihren Ursprung haben. Trotz des Starts des iTunes-Downloadshops in den Jahren 2005/06 (hellgraue Fläche in Abb. 1), waren Musikdownloads in Skandinavien ökonomisch nie wirklich relevant. Musikstreaming, das aber 2010 in allen Ländern der Region zu einer relevanten Einnahmenquelle wurde (dunkelgrau Fläche in Abb. 1), war aber gegenüber P2P-Filesharing überlegen, weil es nutzungsfreundlich und bequem ist und damit auch nicht die Gefahr verbunden, sich Malware über dubiose Quellen einzufangen. Zusammen mit einem hohen Haushaltseinkommen, waren das die besten Voraussetzungen, dass sich die SkandinavierInnen frühzeitig monatliche Premium-Abonnements von Spotify, WiMP und TDC Play zulegten. Alle diese Dienste waren zudem in Mobilfunkverträgen integriert und konnten somit problemlos über die Telefonrechnung bezahlt werden. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass Finnland anfangs ein Musikstreaming-Nachzügler war, weil vor 2010 kein heimischer Musikstreamingdienst verfügbar war. Allerdings hat Finnland den Rückstand in kurzer Zeit aufgeholt und liegt nun mit dem skandinavischen Nachbarn gleichauf.

Bereits 2012 wies der skandinavische Markt für Mobiltelefonie erste Anzeichen einer Marktsättigung auf. Durchschnittlich hatte jede/r EinwohnerIn mehr als einen Handy-Vertrag abgeschlossen. Fünf Jahre später war die Marktdurchdringung für Mobilfunk in allen Ländern gesunken, lag aber immer noch zwischen 1,02 in Norwegen und 1,84 in Finnland (Abbildung 2).

 

 

Abbildung 2: Mobilfunkverträge in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden, 2012-2017

Quelle: Eigene Darstellung nach IFPI Global Music Report 2018.

 

Die Zahl der Mobilfunkverträge korreliert zudem mit der Anzahl aktiver Smartphones, die bei den SkandinavierInnen von Anfang an sehr beliebt waren. Es ist auch kein Zufall, dass zwei Unternehmen, die zu den Smartphone-Pionieren zählen – Nokia und Ericsson (heute Sony-Ericsson) – ihren Ursprung in Skandinavien haben. Trotz des Verkaufs der Mobilfunksparte von Nokia an Microsoft im Jahr 2013 und Sonys Akquisition des Hälfteanteils von Sony-Ericsson im Jahr 2012, hat das der intensiven Smartphone-Nutzung in Skandinavien keinen Abbruch getan. 2015 besaß jede SkandinavierIn zumindest ein aktives Smartphone. Die Marktdurchdringung war 2017 in Dänemark mit 1,43 Smartphone pro Kopf der Bevölkerung am höchsten und in Finnland mit 0,87 am niedrigsten.

 

Abbildung 3: Aktive Smartphones pro Kopf in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden, 2012-2017

Quelle: Eigene Darstellung nach IFPI Global Music Report 2018.

 

Smartphones sind mittlerweile überall auf der Welt der wichtigste Zugang des Online-Musikkonsums und in Kombination mit einem ubiquitären WLAN-Zugang zum Internet, wie in Skandinaviern üblich, ist es auch die bequemste Form Musik immer und überall zu hören.

 

Schlussfolgerung

Der Mix aus schnellem Breitband-Internet und hoher Smartphone-Durchdringung hat in Skandinavien schon früh Geschäftsmodell-Innovationen in Form von Musikstreamingdiensten (Spotify in Schweden, WiMP in Norwegen und TDC Play in Dänemark) ermöglicht und ein spezielles Öko-System für den Musikkonsum kreiert, der vor allem auf Bezahl-Abonnements beruht und gleichzeitig physische wie auch Download-Musikverkäufe kannibalisiert hat. Im nächsten Teil der Serie zur Musikstreaming-Ökonomie in Skandinavien wird genau dieses geänderte Musikkonsumverhalten genauer analysiert werden.

 

Literaturverzeichnis

International Federation of the Phonographic Industry (IFPI), 2018, Global Music Report 2018. London: IFPI.

Wlömert, Nils und Dominik Papies, 2019, „International Heterogeneity in the Associations of New Business Models and Broadband Internet with Music Revenue and Piracy“, International Journal of Research in Marketing, Vol. 36 (3), https://doi.org/10.1016/j.ijresmar.2019.01.007.

 

Siehe auch:

Der Weg zur Musikstreaming-Ökonomie – Skandinavien Teil 1: Marktanalyse

Der Weg zur Musikstreaming-Ökonomie – Skandinavien Teil 3: Nutzungsverhalten

 

 

 

 

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